Das neue Portal des Bundesministeriums für Bildung und Forschung heisst „Studienabbruch – und dann?“  http://www.studienabbruch-und-dann.de/

Als Professorin und als Coach bin ich häufig mit der Frage von Studierenden, ob sie lieber weiterstudieren wollen, wechseln oder abbrechen und welche Optionen ihnen danach offen stehen, konfrontiert. Das neue Web-Angebot des BMBF halte ich für sinnvoll und hilfreich. Es enthält authentische Berichte von Studienzweiflern und Studienabbrechern und signalisiert damit, dass diese Situation kein einzigartiges, persönliches Problem darstellt. Zudem  senkt es bei Betroffenen die Schwelle, die eigenen Zweifel gegenüber anderen anzusprechen.

Die Seiten sind gut strukturiert und informativ. Also alles gut!? So gut, dass ich es auf alle Fälle Studierenden empfehlen werde. Zwar ist die Sprache nicht durchgängig wirklich adressatengerecht, aber das kann man leicht anpassen.

Beratung bei Orientierungslosigkeit
Schwerer wiegt, dass Studierende in der Phase der „absoluten Orientierungslosigkeit“, z.B. nach nichtbestandenen Prüfungen oder anderen grundlegenden demotivierenden Studienerfahrungen, keine ganzheitlichen Beratungs- oder Coachingangebote vorfinden. Stattdessen empfiehlt das Portal mit Freunden, Eltern, Kommilitonen oder Professoren zu sprechen und Rat zu suchen. Aber jede dieser „Parteien“ sieht nur einen Ausschnitt und ist gegenüber dem Ratsuchenden natürlich nicht wirklich neutral. Und was tun, wenn die Ratschläge sich widersprechen?

Beratungsangebote der Hochschulen
Daneben gibt das Portal den Hinweis sich an die Hochschulen zu wenden, entweder an die psychosoziale Beratung oder die fachliche Studienberatung. Und wenn es Probleme gibt mit dem wissenschaftlichen Arbeiten gibt, dann gibt es dann noch das Schreibbüro und die Bibliothek …

Meiner Erfahrung nach haben wir ausreichend fachliche Beratungsangebote an den Hochschulen, vorausgesetzt ich weiß, „wo genau mich der Schuh drückt“. Mit speziellen Beratungen zum Schreiben, Präsentieren, für Bewerbungen und Jobsuche … sind die  Hochschulen inzwischen gut ausgestattet. Das Portal zeigt daneben Beratungsangebote auf, die den Einstieg in die berufliche Ausbildung erleichtern sollen.

Bedarf an Coaching für Studierende
Die obengenannten Angebote haben alle ihre Berechtigung – helfen jedoch in der Phase der „absoluten Orientierungslosigkeit“ nicht weiter. Hier bräuchte es ein ganz normales Coaching, um die individuelle Situation des Studierenden ganzheitlich zu betrachten und zu klären. Erst nachdem die Person mit ihrem Problem ernst genommen und in ihrer Situation wahrgenommen wurde, ist sie selbst mit Hilfe des Coaches in der Lage zu reflektieren. Da es derartige Coaching-Angebote an Hochschulen sehr selten gibt, bietet das Portal an dieser Stelle eine Reihe von Fragenkatalogen und Übungen zur Selbstreflexion an. Diese Tools sind im Rahmen eines Coachings absolut sinnvoll und hilfreich. Ich zweifle aber, ob die Reflexionsfragen als reines Selbst-Coaching allein tatsächlich zielführend sind.

Fazit
Für ratsuchende Studierende kann das Portal eine erste wichtige Anlaufstelle für Information und Austausch sein, und es macht auf die bestehenden Beratungsangebote aufmerksam.

Den Beratern und Lehrenden in der Hochschule zeigt das Portal hingegen ein wichtiges Defizit auf. Es mangelt an einem integrierten, personenzentrierten Beratungsformates für Studierende. Ein Coaching-Angebot für Studierende in jeder Studienphase wäre eine ideale Ergänzung zu den bestehenden spezialisierten themen- oder problemzentrierten Beratungsangeboten.