„Geben ist seliger denn nehmen“ – alter Bibelspruch oder neuer Karrieretipp?

Generationen sind mit diesem Spruch aufgewachsen. Im Alltag merken wir sehr schnell, welche Mitmenschen in unserer Umgebung diesen Glaubenssatz als Wert leben oder eben nicht. Oft herrscht am Arbeitsplatz eine Ellenbogen-Gesellschaft und mancher Kollege mit „Nehmer“-Mentalität belächelt die „Gebenden“ mitleidig als Gutmenschen.

Falls Sie zu den „Gebenden“ gehören, lächeln Sie zurück …  Denn, so Christian Heinrich: „Wer an andere denkt, macht eher Karriere.“ Zu diesem interessanten Ergebnis kommt der Wirtschaftswissenschaftler Adam Grant. Er erforscht das Verhalten Berufstätiger und steckt sie dazu in die drei Schubladen: Nehmende (Taker), Vergleichende (Matcher) und Gebende (Giver).

Christian Heinrich definiert die Kategorien kurz zusammengefasst :
Nehmende: Wer zu diesem Typ gehört, versucht im Umgang mit anderen mehr zu bekommen, als er gibt. Sein Ziel ist der maximale Nutzen für sich selbst.
Vergleichende: Zu ihnen zählen die meisten Berufstätigen. Sie sind bereit zu geben, achten aber darauf, eine Gegenleistung zu bekommen.
Gebende: Ihnen geht es hingegen vorrangig darum, anderen zu helfen; sie versuchen die Wünsche und Bedürfnisse von Kollegen und Geschäftspartnern zu erfüllen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.“

Und, wo erkennen Sie sich wieder?

Die Forschungsergebnisse von Adam Grant ergaben, dass „Gebende“ überdurchschnittlich häufig Karriere machen.
Also geben Sie weiter … – UND verlieren Sie dabei nicht Ihre eigenen Ziele aus dem Blick. Andernfalls nützen Sie nur den Nehmenden und kommen selbst nicht voran; auch dies ein Fazit der Studie.

Was bedeuten diese Forschungsergebnisse im Alltag? Aus meiner Sicht lässt sich einiges damit anfangen und (für viele seeehr wichtig: wissenschaftlich belegen!) – darum finde ich das Thema ja so spannend:

  • Wir könnten das häufig dominierende „Wettbewerbs-Denken“ kritisch hinterfragen, ob im Job oder im Studium. Wo Wettbewerb das Denken dominiert, denkt der Einzelne mehr an sich als an andere – ein Eldorado für Nehmende und Vergleichende.
  • Die „Gebenden“ werden zukünftig hoffentlich mehr Wertschätzung erfahren – als Mitarbeiter im Unternehmen, als Wissensgeber im Informations- und Wissensmanagement, als Mentoren, ehrenamtliche Helfer …
  • Fragen Sie sich auch manchmal warum die Zusammenarbeit „nicht läuft“? Die Mitwirkung Gebender ist eine zentrale Voraussetzung für eine funktionierende Kooperation und Kollaboration. Netzwerke, Mentoring und Teamarbeit können davon profitieren.
  • Gebende Wissensträger profitieren in und von der Shareconomy und Klaus Eck erklärt:  „Wer aufgrund mehrerer Leseempfehlungen oder Wissensbeiträge ein Problem lösen, ein gutes Video sehen oder einen tollen Medienartikel lesen konnte, merkt sich mit der Zeit diejenigen, die ihm/ ihr das ermöglicht haben. Meinungsführer teilen heute ihre Informationen mit anderen und bauen auf diese Weise ihre Reputation aus.“
  • Jeder Mensch „outet“ sich durch Sprache und im Verhalten mit anderen Menschen sehr schnell, ob er Gebender, Vergleichender oder Nehmender ist. Das kann z.B. im Coaching ein Ansatz sein, um Probleme in Beziehungen oder am Arbeitsplatz zu analysieren. Denn jeder hält ja seine Sicht für das Normale …
  • Und im Privaten? Auch hier lohnt es sich, mal unsere Haltung zu überdenken.

Das Buch von Adam Grant „Give and Take“ ist für den Herbst 2013 auf Deutsch angekündigt.

Ich bin gespannt auf die Herbst-Lektüre und wie die Ideen aufgenommen und diskutiert werden!